Wallis und Aostatal

Zuletzt aktualisiert: Sonntag, 02. August 2020 Geschrieben von Schaaf

Dieses Jahr ist das mit den Ferien nicht so einfach. Jedes Land will, dass man daheim Ferien macht und in der Schweiz tummeln sich dann alle an den üblichen touristischen Hotspots. Nach sorgfältiger Planung mit dem medizinischen Beistand Dr. Kermit haben wir uns für Wallis und Aostatal entschieden. Ist zwar nicht mehr alles Schweiz, aber in Italien ist die Welt auch noch in Ordnung. Endlich kann mal mein MTB artgerecht ausführen und vielleicht ist ja auch die eine oder andere schöne Wanderung in den Bergen drin.

Reckingen

Stalenkapelle Parat für die Abfahrt Alle so nett hier

Von Zürich geht es mit unserem VW-Bus über den Furkapass nach Reckingen, unserer ersten Station. Zuerst hatte ich noch Bedenken, dass der Campingplatz voll sein könnte, aber dort ist alles ganz entspannt. Am Nachmittag bleibt noch Zeit für eine kurze MTB-Tour das Blinnental hoch direkt hinter dem Camping. Damit die Kultur nicht zu kurz kommt machen wir auch einen kurzen Halt bei der Stalenkapelle, da geht dann auch der Trail auf der Abfahrt vorbei und ich kann ihn kurz inspizieren.

Ich bin mit Urs unterwegs und der hat nicht immer so den Blick für den Weg und das Gelände sondern schaut mehr so in der Gegend rum. Da muss ich etwas vorsichtig sein dass nichts passiert. Aber im Blinnental ist das sowieso kein Problem - keine Mutterkühe und ein netter Hirte. Das senkt das Risiko schon mal deutlich und wir sind pünktlich zum Abendessen zurück - es gibt Cholera, eine lokale Spezialität.

Bergschafe Siebenmeilenstiefel Chly Castelhorn Belohnungskuchen

Den nächsten Tag war eine richtige MTB-Tour mit kurzen Gipfel geplant. Knuth wollte unbedingt mit, auf jeden Fall besser als Urs. Schliesslich geht es heute einen richtigen Trail und da kann man nicht einfach in die Luft schauen. Von Reckingen das Bächital hoch und nach einem kurzen Abstecher auf das Chly Castelhorn den Trail zur Galmihornhütte. Das Bächital ist berüchtigt für seine Lawinen - zum Glück liegt nicht mehr allzu viel Schnee. Oben treffen wir auch meine Freunde, die Walliser Bergschafe bevor ich gemütlich und Knuth mit seinen Siebenmeilenstiefeln auf den Gipfel stürmen.

Auf der Hütte erwartet uns die nächste Überraschung. Eigentlich wollten wir nur einen Kuchen essen nach dem anspruchsvollen Trail. Es war aber Matineé angesagt mit Alphorn, Stubenmusi und Gesang. Kaffee und Kuchen gab es zum Glück aber trotzdem.

Start Sidelhorn Schneeflanke
Start Eggerhorn Eggerhorn Gipfel Oops, Loch

Die nächsten Tage ging es mit Dr. Kermit aufs Sidelhorn oberhalb vom Grimselpass und mit Urs aufs Eggerhorn oberhalb vom Binntal. Zum Sidelhorn fährt man kurz die Grimselpassstrasse bevor es beim Restaurant Source du Rhone auf einen Waldweg abzweigt. Eigentlich ein Witz, der Rhonegletscher als Rhonequelle ist doch noch deutlich entfernt. Bei Nassbode geht es nicht mehr vernünftig mit dem Bike weiter. Dr. Kermit hat sich gefreut über das viele Wasser, ich fand es gar nicht so gut für mein Fell. Vollgefressen mit den ganzen Fliegen hatte Dr. Kermit dann auch Probleme den steilen Gipfelhang hochzukommen, aber gemeinsam aber wir es schliesslich geschafft. Die Abfahrt war recht flott - bergab ist Gewicht bekanntlich durch nichts zu ersetzen.

Mit Urs auf Eggerhorn geht es erstmal in die andere Richtung, der Rhone oder Rotte wie sie hier heisst bergab und schliesslich Richtung Blinntal. In Ernen zweigt man ab und kann bis hinter die Alp Frid fahren - immer mit bester Aussicht auf das Unesco Welterbe Aletsch-Jungfrau. Der anschliessende Wanderweg geht nahezu überhängend in Richtung Gipfel. Viel Strecke verschenkt man jedenfalls nicht.

Mit dem Bike haben wir anschliessend die Abfahrtsvariante in Richtung Rappental gewählt. Am Anfang etwas schlecht zu fahren, später dann aber ein schöner Trail. Leider tun sich mitten im Trail plötzlich Löcher auf. Von einem Schweizer Trail bin ich das nicht gewohnt. Aber im Wallis ist bekanntlich alles anders.

Valpelline

Vom Wallis sind wir über den Hundepass - auch bekannt als Grosser St. Bernhard - ins Aostatal gefahren, zunächst nach Valpelline zum Grand Combin. Zuerst dachte ich ja, wir haben uns verfahren. Eigentlich sollte das Aostatal doch in Italien liegen, aber die Leute sprechen Französisch, viele Ortsnamen auf Französich. Ich wollte schon umkehren - Frankreich habe ich immer Angst um mein Fell, da die mich immer mit Bon-Schur begrüssen. Nach kurzer Recherche habe ich aber herausgefunden, dass Aosta die meiste Zeit zu Itelien gehört hat, aber Teil von Savoyen war und damit französischsprachig ist. Aosta is so wie Südtirol eine autonome Provinz auch wenn sie dort keine Strommasten in die Luft gejagt haben. Dabei hätten sie genug davon.

Trail verschwunden Verlassene Alp Anstieg zum
Lac de Mont Rouge
Treppenlift

Am ersten Tag habe ich erstmal mit Dr. Kermit die MTB-Trails der Umgebung erkundet. Ich muss ja ein Gefühl bekommen wie schwierig zu fahren ein schwerer Trail ist. Nicht dass ich irgendwann 1000Hm runtertragen muss weil es mich überfordert. Auf dem Weg zum Trail stand ich drei mal vor einer Strassensperre wegen Steinschlag - nicht nett! Ausserdem habe ich festgestellt, dass die Wegpflege nicht ganz dem Swiss-Finish entspricht. Dort mag es ab und zu ein Loch haben. Hier ist der Trail kaum mehr zu erkennen. Ist wohl nicht oft genug befahren. Wir haben auf jeden Fall unseren Anteil geleistet damit er nicht zuwächst.

Knuth wollte am nächsten Tag wieder etwas per Velo&Pfote unternehmen. Ich habe ihm aber seine Siebenmeilenstiefel versteckt damit es nicht so anstrengend wird. Mit dem Velo sind wir vom Camping die 20km zum Lac de Place Moulin gefahren und von dort zum Lac du Mont Rouge gewandert (auch wenn es manche denken, es ist nicht der Lac de Moulin Rouge - der ist in Paris). Zwischendrin immer wieder mit schönen Blick auf Dent d'Hérens. Im Nachhinein hätten wir uns aber die Anstregung sparen können. Zur Alp kurz vor dem Lac du Mont Rouge geht ein Treppenlift, oder so etwas ähnliches. Allerdings ist das eine Treppe mit 600 Höhenmetern - da kann man lange fahren.

Fenêtre de Durand Mont Avril Badesee

Aus dem oder besser normalerweise ins Aosta-Tal gibt es auch den Klassiker einer MTB Alpenquerung. Das Fenêtre de Durand aus dem Val de Bagne ins Aostatal ist einer der eisfreien Übergänge und bergab auch in weiten Teilen fahrbar. Im zweiten Weltkrieg war das auch eine beliebte Fluchtroute für Antifaschisten aus dem besetzten Italien in die Schweiz. Zum Glück ist es derzeit einfach ein wunderschönder Übergang. Vom Fenêtre de Durand sind es auch nur noch 500Hm auf den Mont Avril (3347m). Leider wollte Urs nicht mehr mit, so dass ich den Gipfel alleine besteigen musste. Wollte dieses von Corona gekennzeichnete Jahr wenigstens einen 3000er besteigen.

Vom Pass bergab hat man nochmal die Möglicheit sich in einem kühlen Bergsee zu erfrischen bevor es mit dem Bike die Trails runtergeht. Nach meiner Erkundung die Tage vorher haben wir uns sogar getraut einen schwarzen, schweren Singletrail bergab zu fahren. Da fehlt mir dann aber doch noch ein bisschen die Fahrtechnik. Hat sich aber trotzdem gelohnt, denn so ging es ohne Gegenanstiege direkt zum Camping bergab wo Kasimir bereits mit einem frischen Kaffee auf uns gewartet hat. Ach ja, das selbstgemachte Eis am Camping Grand Combin in Valpelline ist wärmstens zu empfehlen. Auch wenn man schnell sein muss - je später der Tag desto geringer die Auswahl.

Col Fouillou Alp Fouillou

Nach den gut 2500Hm vom Vortag wollten meine Begleiter aus irgendeinem Grund den Tag auf der faulen Haut verbringen. Das geht natürlich gar nicht in einer so schönen Umgebung. Ich bin vom Camping wenigstens noch die 1500Hm zum Col Fouillou gelaufen um nicht einzurosten. Ganz schön wild da oben und für mich als kleines Schaaf gar nicht so anspruchlos die letzten Meter auf den Pass zu kommen. Dafür besteht da oben garantiert keine Ansteckungsgefahr, ich habe ja die ganze Tour niemanden gesehen ausser dem Älpler den ich aus 100m Entfernung gegrüsst habe. Der hat so komisch geschaut als ob er noch nie ein Schaf gesehen hat. Der kurze Ausflug durch die wilden Seitentäler hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Col de Crête Sèche Klettersteig
gesperrt
Abstieg vom Col
de Crête Sèche

Nachdem sich alle erhohlt haben konnten wir wieder eine richtige Tour unternehmen. Mit Dr. Kermit zum Col de Crête Sèche, einem weiteren Übergang vom Aostatal ins Val de Bagne. Mit dem Velo geht es erst die bekannte Strasse Richtung Lac de Place Moulin bevor es in Dzovennoz ein nahezu überhängendes Strässchen zur Alp Berrier geht. Dort ist dann Schluss mit Velo und über das Rifugio Crête Sèche geht es weiter zum Pass.

Zuerst denkt man, dass durch diese Geröllwüste niemals ein vernünftiger Weg gehen kann. Überraschend ist es dann aber doch ein ganz vernünftiger Pfad. Nur der Klettersteig zum Mont Gelé ist unmissverständlich gesperrt - zumindest für Fussgänger. Mein Italienisch und Französisch ist leider nicht gut genug um den Grund herauszufinden. Im Zweifel ist es aber immer Steinschlag wenn im Aostatal etwas gesperrt ist. Runter geht es zum Teil auf Schneefeldern. Noch besser als der Weg durch die Geröllhalde.

Gran Paradiso

Trotz der hervorragenden Eiscreme wurde es in Valpelline langsam etwas warm und das ist nicht gut für mein Fell. Wir wollten sowieso noch zum Gran Paradiso auf der Südseite des Aostatales. Liegt ein bisschen höher und ist damit ein bisschen kühler. Zum Glück ist das in Coronazeiten kein Problem kurzfristig einen freien Camping zu finden und wir haben uns bei den Steinböcken auf dem Camping Stambecco oberhalb von Cogne einquartiert.

Passo Invergneux
Tragestrecke
Passo Invergneux Flowtrail
bergab

Bei Bikern ist Cogne bekannt für den Flowtrail vom Passo Invergneux. Den musste ich natürlich auch fahren, eine kurze Recherche hat aber ergeben dass es bis zu 300Hm Tragestrecke auf den Pass hat. Da wollte plötzlich nur noch Dr. Kermit mitfahren. Zum Glück heisst es aber bis zu 300Hm. Wenn man ein bisschen MTB fahren kann sind signifikante Teile der Tragestrecke fahrbar und so war es gar nicht so beschwerlich auf den Pass zu kommen. Trotzdem haben Dr. Kermit und ich uns die Pause oben verdient. Auf dem Pass heisst es alles für die Abfahrt zu überprüfen. Es geht mehr als 1000Hm einen wunderschönen, flowigen Singletrail bergab bis fast nach Cogne. Fast keine Stufen, immer schön am Hang und nur ein paar Schneefelder im oberen Teil. Netterweise hat der Regen auch gewartet bis wir das Tal verlassen haben so dass wir weitgehend trocken geblieben sind. Den Traum von Trail mussten wir in Cogne gleich mit einem Gelato feiern - nicht ganz so gut wie in Valpelline.

Alp Money Mittagspause mit
Urs und Knuth
Chiesetta Cret Murmeltier

So langsam zeigt sich bei meinen Begleitern der Trainingsrückstand. Nach dem Passo Invergneux will niemand mit mir heute eine grosse MTB-Tour fahren. Als Alternative schlage ich eine kurze Wanderung zur Alp Money vor. Da stösst dann doch wieder auf Begeisterung, nur Kasimir der Bus-Elch und Dr. Kermit bleiben unten. Die Alp Money ist übrigens verfallen. Man muss also keinen Eintritt zahlen um die geniale Aussicht zu geniessen und rund um die Alp hat es genug Wiese und Felsen um sich gemütlich hinzusetzen.Der ideale Platz für eine Mittagspause, schliesslich liegt die Hälfte des Weges noch vor uns. Ach übrigens, im Aosta-Tal wird nur Sterzinger Joghurt verkauft - nicht wundern. Die haben zwar viele Kühe, aber die Milch wird glaube ich vollständig für den lokalen Käse benötigt. Der wird übrigens von Tina gemacht und heisst deswegen Fontina. Bei dieser Sprachenmischung aus Italienisch und Französisch sehen wir mal über den kleinen Rechtschreibfehler grosszügig hinweg.

Ich dachte nach der erholsamen Tour auf die Alp Money sind alle wieder voller Tatendrang. Na ja, kein Optimalwetter aber eigentlich auch kein Grund den ganzen Tag im Bus zu verbringen und Kaffee zu schlürfen. Ich musste deshalb ganz alleine MTB fahren gehen. Neben Passo Invergneux soll der Trail vom Rifugi Sogno di Berdzè auch ganz genial sein. Ist zwar in Teile die gleiche Auffahrt wie Passo Invergneux aber eine komplett andere Abfahrt, ein bisschen schwieriger und weniger flowig. Ausserdem steht man dort unter genauer Beobachtung der Murmeltiere - wahrscheinlich bin ich durch ihren Vorgarten gefahren. Trotzdem aber besser als den ganzen Tag im Bus Kaffee schlürfen, auch wenn ich geringfügig nass geworden bin.

Mont-Blanc Blick Colonna di Minere
Trail

An unserem letzten Tag scheint dafür wieder die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Da kann ich Dr. Kermit zu einer letzten MTB-Tour überreden. Zu den alten Erzminen von Cogne ("Colonna di Minere") wo früher das Erz für den berühmten Cogne Stahl abgebaut wurde. Angeblich geht von dort ein leichter Trail direkt zur Strasse runter. Doch zunächst geht es bergauf und am Ende der Fahrstrasse will Dr. Kermit erstmal Mittagspause machen. Hat aber auch eine schöne Aussicht auf den Mont Blanc oder vielleicht besser auf den Monte Bianco.

Vom Ende der Fahrstrasse geht zunächst ein schönder Trail zu den alten Minen, immer ein bisschen bergauf und bergab am Hang entlang. Bei den Minen angekommen sieht es aber nicht nach einem einfachen Trail zur Strasse runter aus. Es reiht sich Spitzkehre an Spitzkehre den steilen Hang hinunter und ich kann das nicht so gut wie andere. Also haben wir uns für den Alternativtrail am Hang entlang entschlossen. Zunächst trägt man ein paar Meter bergauf, dann geht es erstmal durch absturzgefährdetes Gelände auf einem 20cm breiten Weg. Da war dann auch erstmal schieben angesagt. Zum Glück war das nur das erste Stück und danach war es halbwegs fahrbar. Allerdings bei weitem nicht so genial wie vom Passo Invergneux runter. Aber man kann nicht alles haben.

Auf jeden Fall eine geniale Gegend das Aostatal und sehr guter Käse den Tina dort macht!