Schlechtweg Ferien

Erstellt: Montag, 10. Mai 2021 Geschrieben von Schaaf

Die Auffahrtswoche haben meine Freunde und ich uns freigenommen - nur zwei Tage am Anfang der Woche musste ich noch ein bisschen Business-Schaaf spielen um unser Futter sicherzustellen. Das Wetter ist dieses Jahr irgendwie wenig frühlingshaft und deshalb haben wir uns kurzfristig für eine Ferienwohnung in Andeer entschieden. Andeer liegt direkt in der Via Mala-Region oder rätoromanisch Veia Mala wie Reto sagt, also der Region der schlechten Wege. Seit 1967, als die A13 gebaut wurde sind die Wege dort nicht mehr so schlecht und man ist auch schnell auf der Alpensüdseite.

Murmeltierasyl Tal zum
Splügenpass
Die letzten Meter zum
Splügenpass
San Bernardino

Samstag und Sonntag Vormittag war noch richtig schönes und warmes Wetter angesagt. Mit der Anreise und Einkauf in der lokalen Molki war am Samstag nicht mehr so viel Zeit. Das Averstal, eine Sackgasse mit dem Örtchen Juf am Ende hat sich da gut angeboten. Juf ist übrigens die höchste ganzjährig bewohnte Siedlung Europas, mit 2126m aber eigentlich gar nicht so hoch. Insgesamt aber mehr bekannt für seine Murmeltierpopulation. Sie haben sogar einen Murmeltierlehrpfad, also eine Schule für Murmeltiere.

Mit dem schönen Wetter am Sonntag haben wir noch die lokalen Pässe unsicher gemacht. Am Splügenpass sind wir sogar unter Missachtung der aktuellen italienischen Corona-Regeln bis Montespluga abgefahren. Das Highlight war aber der San Bernardino Pass: Google meinte der ist schon geöffnet, also sind wir hingefahren um dann vor einer Schranke zu stehen - doch noch gesperrt. Mein Velo kann aber nicht lesen und damit war die Schranke kein Hindernis. Der Pass war schon vollständig geräumt und wir hatten einen Pass ganz für uns alleine - ein Hochgenuss.

Promi-Schur Mazzucan Santa Maria Verdabbio

Dem schönen Wochenende folgte ein grauer Montag. Die im Geschäft meinten ich bin kann nicht freinehmen, aber Home-Office ist kein Problem und heute ist Andeer mein Home auch wenn es dort kein Castle gibt sondern nur eine Ruine. Langsam wurde es aber mal wieder Zeit für Fellpflege und seit letztem Jahr weiss ich, dass der beste Friseur der Schweiz in Promi-Schur, einer kleinen Häuseransammlung oberhalb von Andeer arbeitet. Nicht ganz verkehrsgünstig gelegen, aber unschlagbar gut. Gleichzeitig eine schöne MTB-Tour, auch wenn man die Schleife über Alp Anarosa wegen des Schnees noch nicht fahren kann.

Trotz meines kurzen, berufsbedingten Ausflugs nach Zürich am Dienstag hat sich das Wetter nicht wirklich gebessert und so sind wir am Mittwoch durch den San Bernardino-Tunnel auf die Alpensüdseite gefahren. Reto hat mir dort eine schöne MTB-Tour im Calancatal vorgeschlagen. Das Calancatal liegt direkt an der Grenze zum Tessin und dort kennt sich Reto nicht mehr aus. Die Trails oben am Berg sahen gut fahrbar aus, aber ich hätte lieber den Tal-Trail anschauen sollen. Der Trail entlang der Moesa war eigentlich der anspruchsvollste Teil der Tour wenn man mal von den engen Gassen in den Dörfern absieht wo man mit dem breiten Lenker fast hängen bleibt.

Wanderwegweiser Mittagspause in
Sufers
Frühling im Tal Krokuswiesen

Von Andeer ist der Lai da Vons normalerweise eine schöne MTB-Tour. Aber nicht dieses Jahr. Die Wegweiser sind noch tief im Schnee versteckt. Und eigentlich sind wir auch nur da hoch, da Torri mal wieder eine Runde schwimmen wollte. Oben am See war aber kein See sondern nur eine Eisfläche und es hat gestürmt und geschneit. Dabei bin ich eigentlich schon auf Sommerfell umgestiegen und solche Verhältnisse sind gar nicht gut fürs Sommerfell. Um einen weiteren Besuch in Promi-Schur zu vermeiden ging es schnell nach Sufers runter, wo wir auch die ausgefallene Mittagspause nachgeholt haben. Wir mussten sowieso kurz aufs Postauto warten das uns zurückbringt.

Nach den vielen Schlechtwettertagen war der Freitag endlich ein bisschen besser und vor allen Dingen auch wärmer. Ich hatte Dr. Kermit noch eine Trail-Tour versprochen. Das gute an den Trails oberhalb von Andeer und Zillis ist, dass die Auffahrt fast vollständig auf Asphalt ist. Da kann man ordentlich Körner sparen - ist auch notwendig angesichts meines fortgeschrittenen Alters. Alle Trails sind leider wegen Schnee noch nicht fahrbar, aber auch die unteren Trails machen richtig Spass und dort wo der Schnee schon geschmolzen ist, zieht ziemlich schnell der Frühling ein wie man an den Krokus-Wäldern sieht. Auf jeden Fall haben wir den Schönwettertag mit fast 2000Hm gut genutzt und zumindest ich habe wunderbar tief und fest geschlafen.

Pause in
Bagnusch
Brücke fehlt Kirche in
Cresta

Angesichts der Anstrengungen des Vortages und des kühlen, schlechten Wetters haben Dr. Kermit, Reto und ich uns für eine Wanderung entschieden: Von Andeer über Bagnusch nach Ausserferrera im Averstal und mit dem Postauto zurück. Wir haben uns da voll und ganz auf den lokalen Guide Reto verlassen der behauptet ganz Graubünden zu kennen. Na ja, vielleicht nicht ganz Graubüden wie sich herausstellen sollte. Von Andeer geht es steil bergauf nach Bagnusch - so heissen die paar Häuschen da oben. Dort zweigen wir nach Ausserferrera ab, aber bald ist kein Weiterkommen mehr. Die Brücke hängt noch lawinensicher am Seil über dem Bach - die Einheimischen sagen, dass es einfach noch zu früh ist für diese Wanderung ist. Aber netterweise liegen ein paar Holzbretter rum so dass wir den Bergbach doch noch queren können.

In Cresta können wir auch noch die romanische Talkirche besichtigen. Ist mir völlig unklar, warum eine Talkirche oben am Berg steht, aber die werden schon wissen was sie gebaut haben. Denn eigentlich waren die Walser im 13. Jahrhundert nur zu faul jedesmal zum Gottesdienst, Taufe und Beerdigung nach Zillis in die Kirche zu gehen. Bis nach Zillis sind es nicht ganz 20km wenn man die ausgeschilderten Wanderwege nimmt. Keine Ahnung, ob im 13. Jahrhundert der Kanton Graubünden schon Wanderwege ausgeschildert hattte. Ist aber eher unwahrscheinlich, da der Graue Bund erst 1367 gegründet wurde. Wahrscheinlich hatten die damals aber auch kein Postauto, dass uns ganz gemütlich von Ausserferrera zurück nach Andeer bringt.

Die Wanderung hat sich auch sonst gelohnt. Denn Dr. Kermit meinte nach dem Aufstieg nach Bagnusch, dass dies eigentlich ein guter Trail für die Abfahrt mit dem MTB wäre. Also sind wir am Sonntag zum Abschluss die steile, fast überhängende Forststrasse nach Bagnusch gefahren und den Trail runtergesurft. Alles fahrbar bis auf die zwei Meter mit Seilversicherung. Aber wenn man auf mehreren Kilometern zwei Meter tragen muss ist das denke ich akzeptabel.

Nach dieser Abschlussfahrt geht es zurück nach Zürich. Schliesslich muss ich den Freunden die daheim geblieben sind die vielen guten Käsesorten aus der Molki in Andeer bringen. Sie sollen ja auch etwas von unseren Ferien haben, aber die Ferienwohnung war leider zu klein für uns alle.